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4. Gab es Gesinde im Haushalt der Familie Bach? Teil I

Mit dem Begriff Gesinde wurden Personen zusammengefasst, die für verschiedene Arbeiten im Haus zuständig waren, zum Hauswesen gehörten und dafür in Lohn und Brot standen. Die Frage, ob und wie viel Gesinde im Haushalt von Anna Magdalena Bach angestellt war, dürfte eine entscheidende Bedeutung haben. Wenn viele der dort anfallenden täglichen Arbeiten durch Angestellte ausgeführt wurden hatte sie Freiräume, um in anderer Weise tätig zu sein. Das Bild der Ehefrau, die den ganzen Tag Kinder versorgen musste, in der Küche das Essen kochte, die Wohnung sauber hielt und Wäsche wusch, würde dann wohl beträchtlich ins Wanken geraten.


Häufig ist zu lesen, dass Friedelena Margaretha Bach (1675 – 1729) eine große Hilfe gewesen sei. Sie war die Schwester der ersten Frau von Johann Sebastian Bach und gehörte bereits vor seiner Eheschließung mit Anna Magdalena zu seinem Haushalt. (Bachs erste Frau war entfernt mit ihm verwandt und, wie ihre Schwester, eine geborene Bach.) Über Friedelena Margaretha gibt es aber keine weiterführenden Informationen. Vielleicht erledigte sie einen großen Teil der Hausarbeit. Vielleicht waren solche Arbeiten aber auch „unter ihrer Würde“. Auszuschließen ist auch nicht, dass sie behindert war und Betreuung benötigte. Kurz, es können über ihr Wirken nur Vermutungen angestellt werden.

Leider gibt es keine zeitgenössischen Berichte über das Leben der Familie Bach, aus denen hervorgeht, wie groß die Anzahl an Bediensteten in diesem Haushalt genau war. Die eingangs gestellte Frage kann aber schon insoweit mit Ja beantwortet werden, als auch Ammen zum Gesinde gehörten (siehe die Blogbeiträge „Wie viele Kinder hatte Anna Magdalena Bach zu versorgen?“) und es sind weitere Angestellte nachweisbar: Im August 1721 ist für eine Taufe in Köthen als Patin „Jungfer Anna Elisabeth, in diensten bey dem Herrn Capellmeister Bachen“ aufgeführt. (Dok II, Seite 81) Zu dieser Zeit war Johann Sebastian Bach alleinstehender Witwer. Es kann aber ausgeschlossen werden, dass Anna Magdalena nach ihrer Eheschließung im Dezember 1721 deren Arbeiten übernahm. Einem Lexikon dieser Zeit kann entnommen werden, dass sich eine Ehefrau mit Recht dagegen verwehren konnte, „wenn ihr der Mann solche Dinge zu muthet, die einer Magd anständiger sind“. (Zedler 1735, Band 12, Spalte 914) So verwundert es nicht, dass auch später eine Magd für den Bachschen Haushalt nachgewiesen werden kann. Aus dem Nachlassverzeichnis von Johann Sebastian Bach geht hervor, dass diese noch 4 Taler zu erhalten hatte. (Dok II, Seite 497) Das war ein relativ hoher Betrag, für den zum Beispiel ein Bergknecht in einem kursächsischen Bergwerk einen Monat arbeiten musste. Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Magd so lange auf die Auszahlung ihres Lohnes warten konnte, wenn sie selbst für Unterkunft und Ernährung zu sorgen hatte. Das lässt darauf schließen, dass sie auch bei der Familie Bach gewohnt hat und dort verköstigt wurde. In einem solchen Falle war eine solche Vorgehensweise üblich. (Elsas 1940, Seiten 597 ff.)


Aber gab es im Bachschen Haushalt nur eine Magd? Schon Studenten hatten, selbst wenn sie gemeinsam eine Stube bewohnten, ihre Aufwartefrauen. Diese putzten Schuhe, reinigten die Stube, heizten, erledigten Einkäufe. (Siehe zum Beispiel Müller 2007, Seiten 200, 218) Johann Sebastian Bach hatte einen bedeutend höheren Stand. Auf dem Titelblatt der 1730 herausgegebenen Partita V (BWV 829) ist zum Beispiel zu lesen, dass dieses Werk von „Johann Sebastian Bach, Hochfürstl. Anhalt-Cöthnischen würcklichen Capellmeister und Directore Chori Musici Lipsiensis“ komponiert und verlegt wurde. 1748 unterschrieb er ein Zeugnis für einen Schüler mit: „Joh. Seb. Bach, Königl. Pohln. und Churfürstl. Sächs. Hof-Compositeur, Capellmeister und Director Chori Musices in Leipzig“.Er wurde im Leipziger Adressbuch unter den „Personen, so mit besondern, auch auswärtigen Dignitäten und Tituln beehret sind“ geführt. (Dok I, Seiten 150, 231 f; Dok II, Seite 327)


Thomaskirchhof in Leipzig, 1749 (Ausschnitt aus einer kolorierten Radierung von Johann Georg Schreiber)

Das Gebäude in der Mitte (13) ist die Thomasschule. Im linken Teil befand sich die Wohnung der Familie Bach. (Quelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Objekt S0003454, wie auch Abbildung Startseite)


Die Wohnung der Familie Bach erstreckte sich über mehrere Stockwerke und war über zweihundert Quadratmeter groß. (Spree 2021, Seiten 47 f.) Hier wurden auch viele Privatschüler unterrichtet, die Studenten waren. (Koska 2019, Seiten 13 ff.) Einige von ihnen wohnten dort. (Dok II, Seite 396; Dok III, Seiten 479, 613) Dass in diesem Haushalt nur eine Magd arbeitete, wäre wohl kaum mit dem Stand des Herrn Capellmeisters und Hofcompositeurs vereinbar gewesen. Die Mittel zur Entlohnung von Dienstpersonal waren ebenfalls vorhanden. Im Laufe der Jahre sind verschiedene Personen nachzuweisen, die für die Familie als Privatsekretäre und Hauslehrer arbeiteten. (Dok I, Seiten 118, 141) Es konnte eine Amme finanziert werden, die deutlich mehr Geld als eine Haus- oder Küchenmagd verdiente. (Spree 2021, Seite 87) 50 Taler erhielt Johann Sebastian Bach zum Beispiel für die Komposition und Aufführung einer Kantate im Oktober 1734 zu Ehren des Kurfürsten. Damit konnte eine Magd, die im Haushalt versorgt wurde, mehrere Jahre angestellt werden.

In ihrer Dissertation zu Leipziger Professoren dieser Zeit stellt Theresa Schmotz fest: „Ohne Gesinde hätte kein Leipziger Professorenhaushalt […] funktionieren können – und wäre ohne dessen Dienstbarkeit nicht einmal vorstellbar gewesen.“ (Schmotz 2012, Seite 47).

All das lässt darauf schließen, dass es im Haushalt der Familie Bach mehr Dienstpersonal gab als nur eine Magd. Für weitere Anhaltspunkte, die diese These stützen, siehe "Gab es Gesinde im Haushalt der Familie Bach? Teil II".



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